Geradezu märchenhaft-mystische Gebilde an totem Holz in unseren Wäldern: „Mozartlocken“
Zarteste Gebilde zur Winterzeit in unseren Wäldern: Mozartlocken
Im engeren Sinne hat unser Dezemberthema eigentlich nichts mit Flora und Fauna zu tun; im weiteren Sinne jedoch schon, denn ohne Bäume, Äste und Zweige gäbe es sie nicht. Die Rede ist von „Mozartlocken“…
Mit den ersten Nacht- und Bodenfrösten entdecken so manche aufmerksam-neugierigen Wanderer in unseren Wäldern merkwürdige Phänomene. Die einen halten sie für Pilze, andere vermuten ein Schnecken- oder Spinnensekret, wiederum andere deuten diese „weißlichen Haare“ als gefrorene Zellulose abgestorbener oder toter Bäume und schließlich wird sogar eine Art Umweltverschmutzung durch herumliegende oder falsch entsorgte Glaswolle vermutet. Darüber hinaus findet man diese Phänomene an manchen Orten und zu bestimmten Tagen häufig, dann wiederum sucht man sie tagelang verzweifelt – und findet sie nicht. Der Volksmund gab diesen „weißen Gebilden“, die sich auf abgestorbenen Ästen und Zweigen bilden, den treffenden Namen „Mozartlocken“. Und in der Tat erinnern diese weißlich filigranen, „haarigen“ Gebilde an Teile der Perücken, die anscheinend zu Zeiten des großen österreichischen Komponisten Mozart populär waren.
Bei näherer und genauerer Betrachtung lösen sich die Rätsel um die sagenhaften „Locken“. Es handelt sich nämlich nicht um ein biologisches, sondern eher um ein physikalisches Phänomen: Die filigranen Strukturen bestehen schlicht aus gefrorenem Wasser, also aus Eis. Wobei aber nicht das austretende Wasser gefriert, sondern das bereits gebildete Eis zu feinsten Haarsträngen gepresst und geformt wird.
Das tote Holz enthält immer noch Wasser, welches vormals durch das Leitungsbündel von den Wurzeln zu den Blättern strömte. Gefriert nun dieses Wasser, dann dehnt es sich kräftig aus, da Eis eine geringere Dichte als Wasser hat. Bei morschen Ästen, deren Rinde bereits trocken, abgestorben und aufgebrochen ist, wird das Eis durch die Leitbündelstruktur zu einem haarförmigen Gebilde gepresst und findet seinen Weg nach draußen.
Einigen heimischen Technikern mag dieses Phänomen wohl vertraut sein. Denn bei der Herstellung von Drähten und Rohren, dem sogenannten Strangpressen, verfährt man dergestalt, indem der Werkstoff mit hohem Druck durch eine Matrix gepresst wird. Wichtig dabei ist, dass der Druck von allen Seiten gleichmäßig wirkt. Dadurch beginnt der Werkstoff zu fließen und lässt sich so durch die Matrizenöffnungen pressen, wodurch ein Strang entsteht. Nach exakt demselben Prinzip zaubert Mutter Natur die winterlichen „Mozartlocken", wobei die Erdanziehung den wachsenden „Haaren" noch ihren besonderen „lockigen“ Dreh oder Schwung verleiht. Allerdings bedarf es hierfür nicht nur frostiger Temperaturen, sondern auch absoluter Windstille. Schon der leiseste Hauch, oder aber eine Berührung zerstört diese kleinen Kunstwerke. Dies auch der Grund, dass man an „zugigen“ Orten so gut wie keine, an geschützten, windstillen Orten, ideale Kältetemperaturen vorausgesetzt, fast immer welche findet.
In diesem Sinne eine schöne, märchenhafte Advents- und Weihnachtszeit!
Fotos und Text: Wolfram Martin
Eine der kleinsten unserer Meisen: Die Tannenmeise
Ende Oktober, Anfang November, spätestens aber mit den ersten Frösten und Schneefällen taucht in unseren heimischen Gärten am Futterhaus ein kleiner Vogel auf, den man zunächst leicht mit der allgegenwärtigen und bekannten Kohlmeise verwechseln könnte: Die Tannenmeise.
Doch ist diese mit nur acht bis elf Zentimetern wesentlich kleiner als die Kohlmeise (14cm). Ihre körperliche Unterlegenheit gegenüber den anderen Meisen- und Finkenarten gleicht sie jedoch mit ihrer flinken Quirlichkeit aus. Gegenüber der Kohlmeise ist sie auf der Unterseite nicht gelb, sondern eher beige bis braun-grün gefärbt und es fehlt der schwarze Längsstreif auf der Brust. Wie die Kohlmeise auch, hat sie einen schwarzen Oberkopf, der aber mit einem deutlich sichtbaren weißen Genickfleck gekennzeichnet ist und den nur sie unter den heimischen Meisenarten trägt. Junge Tannenmeisen sind von juvenilen Kohlmeisen noch schwieriger zu unterscheiden, da diese gelbliche Wangen und einen ebensolchen Nackenfleck aufweisen. Auch die Unterseite – ohne Längsstreif – ist zart gelblich gefärbt.
Der Gesang dieser kleinen Meise ist ein ziemlich lautes, charakteristisches „Wize-wize-wize… zewih-zewih-zewih“. Außerdem bringt sie recht häufig noch wispernde Laute hervor und bei starker Erregung – insbesondere als Warnung vor Katzen und sonstigen „Bodenfeinden“ - ein gequetschtes, lautes, rasch aneinandergereihtes „Djeh“.
Die Tannenmeise gilt als weit verbreiteter Jahresvogel, der aber wenig umherzieht und bei uns vorwiegend Fichten- und Nadelmischwälder bewohnt, aber auch in reinen Mischwäldern, Parks und größeren Gärten vorkommt, sofern einige Nadelbäume vorhanden sind. Im Rothaargebirge ist sie neben der Kohlmeise die häufigste Meisenart und ein typischer Waldbewohner der Fichtenwälder. Sie bevölkert das Gebirge bis hinauf zur Baumgrenze. Als geeignete Brutstätten und Orte des Nestbaus dienen Höhlen und Baumspalten. Sogar bodennahe Höhlen in Baumstümpfen und Mauselöcher sowie andere kleine Erdhöhlen wurden schon beobachtet. Das eigentliche Nest ist ein verfilzter Bau aus Moos, Halmen oder Wolle, worin das Weibchen sieben bis neun weißliche, rötlichbraun gefleckte Eier legt. Beide Eltern kümmern sich um die Jungenaufzucht und füttern diese mit Insekten in allen Entwicklungsstadien und kleineren bis größeren Spinnen. Außerhalb der Jungenaufzucht und besonders im Winter werden auch Sämereien aller Art, vorzugsweise aber Fichtensamen verzehrt.
Interessant und aufschlussreich sind weitere regionale, beziehungsweise mundartliche Namen der Tannenmeise, die lateinisch Parus ater genannt wird: Schwarzmeise (in Anlehnung und mit der Ähnlichkeit an die Kohlmeise); ferner Wald- oder Holzmeise; in Österreich und der Steiermark auch Sperrmeise und im Nassauischen Johannesmeise oder Hannesmieschen. Außer „Meesje“ für Meise haben wir in Wittgensteiner Platt leider nichts gefunden.
Fotos und Text: Wolfram Martin
„Sämann des Waldes“ nennt man ihn, weil der Tannenhäher – Nucifraga caryocatactes – Haselnüsse, Fichten- und Koniferensamen, die er momentan nicht mehr verzehren kann, im Erdboden versteckt. Rund 6.000 Nüsse pro Vogel und Jahr sollen es sein; und von denen soll er etwa 80 Prozent wiederfinden. Der Rest dient der „natürlichen Aussaat“.
Somit ist der Tannenhäher einer unserer interessantesten Vögel der Heimat. Wie auch sein Vetter, der bunte, allgegenwärtige und immer irgendwie als „Stenz“ daherkommende Eichelhäher, gehört der Tannenhäher zu den Rabenvögeln, und diese wiederum zu den Singvögeln, obwohl er gar nicht „singen“ kann, sondern nur ein lautes, aber sehr arttypisches Kärrr-Kärrr-Kärr hervorbringt. Mit seinem braun-weißgrau-melierten Gefieder, das immer ein wenig an Fichtenstammholz erinnert, ist er der Gentleman unter den Rabenvögeln.
Das Vorkommen des Tannenhähers ist an Nadelwälder gebunden, weshalb er das Rothaargebirge und Wittgenstein erst mit der Fichte so um 1860 besiedelte und diese späte Besiedelung führte dazu, dass er – obwohl ein Vogel mit vergleichsweise vielen Dialektnamen wie Nußkrähe, Nußbicker, Nußbeißer, Nußmuckl – im Wittgensteiner Platt nicht vertreten ist.
Der Bestand Nordrhein-Westfalens wird auf 300 – 600 Brutpaare geschätzt, in Wittgenstein sollen es rund 50 Paare sein. Aufgrund der Waldschäden erst durch Kyrill, dann durch den Borkenkäfer und in der Folger der möglichen Aufforstung mit Laubbäumen, dürfte der Tannenhäher als erster Verlierer unter den Gefiederten feststehen.
Bis vor ein paar Jahren besuchte uns vierzehn Jahre lang alljährlich im Herbst oder Frühwinter ein Tannenhäher zu Hause und wartete jeden Morgen auf seine Portion Haselnüsse. Fast jedes Jahr brachte er einen Jungvogel mit – in einem Jahr sogar mal zwei. Innerhalb kürzester Zeit war der dann genau so vertraut wie der „Alte“ und ließ uns bis auf einen Meter heran. Mit einer Haselnuß im Schnabel flog er einen Baum an, suchte sich eine Astgabel, hielt die Nuß fest und zertrümmerte sie mit einigen wenigen, weit ausholenden aber kräftigen Schnabelhieben.
Während ein Teil der Nuß in kleinen Bröckchen genüßlich im Schnabel zerbröselt wurde, wurde die andere Hälfte für später ein wenig abseits gelegt. War er satt, wurden, wie schon gesagt, die überzähligen Nüsse als Vorratswirtschaft im Garten unter Gras oder Laub, in Blumenkästen oder einfach im Schnee versteckt. Es wurden nur Hasel- nicht aber Wal- oder sonstige Nußarten angenommen.
Durch diese kalorienreiche, doch trockene Nahrung verlangt es den Tannenhäher häufig nach Feuchtigkeit, was in Frost- und Kälteperioden nicht immer einfach ist. Dann nimmt er entweder Schnee auf oder, wenn dieser fehlt, fliegt er an die zugefrorene Vogeltränke und hämmert sich kleine Eisstückchen heraus, die er genauso genüßlich im Schnabel zerbröselt wie die Nüsse. Nuts on the rocks – sozusagen…
Neben der heimischen, europäischen Unterart (mit dickem Schnabel) gibt es in manchen Jahren bei uns in Wittgenstein auch die sibirische Unterart mit deutlich schlankerem Schnabel zu beobachten.
Aufgrund seiner Vertrautheit und interessanten Lebensweise hätte es der sympathische „Nußhäher“ schon längst einmal verdient, als „Vogel des Jahres“ anerkannt und geadelt zu werden. So aber wird er, genau wie die Fichte, Wittgenstein bald verlassen…
Fotos und Text: Wolfram Martin
Zwischen Phopie und Freundschaft: Die Welt unserer heimischen Spinnen (1)
Nicht wenige Menschen, so mein Eindruck, leiden unter einer Spinnen-Phobie – oder bilden sich das ein. Spinnen sind für sie – auch hier auf dem Lande – nur Ungeziefer, eklig und widerlich. Tauchen sie in unseren Häusern, gar in der Wohnung auf, sind sie des Todes. Ich bin – oder besser: war – da keine Ausnahme. Jede Spinne, die ich früher als Kind und Jugendlicher erreichen konnte – dies muß ich heute schamhaft gestehen – habe ich reflexartig totgeschlagen. Noch als Jungerwachsener war keine Spinne vor mir sicher. Spinnen habe ich zu damaliger Zeit nur als ekliges Ungeziefer empfunden und bei jeder sich bietenden Gelegenheit draufgehauen.
Wie und warum sich meine Einstellung zu den Spinnen geändert hat, will und muß ich am Beispiel einer nicht-heimischen Art, der größten europäischen Wolfsspinne, der Südrussischen Tarantel erläutern. Ausgerechnet im Jagdland Ungarn, anläßlich eines Maiurlaubs in der ungarischen Tiefebene, wo wir in einem Ferienhaus auf einem Sandberg hoch über der Donau untergebracht waren, ausgerechnet da sollte meine Einstellung zu den Spinnen eine andere werden...
Schon seit ein paar Tagen hatte ich die kreisrunden, wie ausgestanzt aussehenden Löcher im Boden rund ums Ferienhaus bemerkt und schließlich entdeckt, dass dort „merkwürdige Tiere“ hervorkrabbelten. Da ich die gesamte Fotoausrüstung samt Makroobjektiv dabei hatte, legte ich mich eines sonnigen Spätvormittags bäuchlings lauernd vor eines dieser Löcher – und wartete…
Ich staunte nicht schlecht, als vorsichtig und mit leicht ruckartigen Bewegungen sich ein behaartes, fast pelzartiges Gebilde mit zunächst sechs, dann mit acht Augen, denn die beiden seitlich angesetzten sah ich vorerst nicht, immer näher an mein Makroobjektiv schob, aber mit jeder Auslösung der damals noch lauten, analogen Spiegelreflexkamera blitzartig wieder verschwand.
Dann, nach mehrmaligem Vor-und-Zurück, blieb die Spinne liegen und ich konnte sie leicht vergrößert sogar in aller Ruhe beobachten und studieren und schließlich erkennen, dass sie ihre gesamte „Brut“ in Form von zahlreichen Jungtieren auf dem Körper mit sich trug. Ich war begeistert, geradezu fasziniert von diesem Tier und konnte mich nicht sattsehen, denn ich fand nichts Ekliges, nichts Widerwärtiges, nichts Bedrohliches. Im Gegenteil: Ich fand sie einfach schön.
Die Nähe zu ihr hatte geradezu etwas Intimes, denn mit der Zeit konnte ich mich direkt und quasi unmittelbar vor ihren acht Augen langsam bewegen. Mir schien, dass ich durch meine unmittelbare Nähe unterhalb ihres „bedrohlichen Fokus“ oder ihrer Fluchtdistanz geraten war und sie mich deshalb akzeptierte. Und vor ihren acht Augen die bittere, beschämende Erkenntnis, dass ich von diesem Tier, von Spinnen überhaupt so gut wie keine Ahnung hatte. Ich wußte von ihnen – nichts! Falke, Fuchs und Fledermaus als „tierischen Jägern“, genau wie Wolf, Wiesel oder Waschbär standen mir nahe, doch von den achtbeinigen, achtäugigen Jägern wußte ich – nichts!
Als ich dann wenig später mich schlau gemacht hatte und feststellen mußte, eine „giftige“ Südrussische Tarantel nur zwei Zentimeter vor meinem Objektiv gehabt zu haben, als ich mehr über ihre Lebens- und Jagdweise und ihr mögliches Alter von rund zwölf Jahren erfuhr, kannte mein Respekt keine Grenzen. Seitdem wurde ich zum Spinnenfreund, Spinnenverehrer, seitdem habe ich nie wieder eine Spinne getötet, weder im Freien noch in der Wohnung. Seitdem habe ich aber auch immer wieder neue heimische Spinnenarten entdeckt, von denen ich in unregelmäßiger Reihenfolge in dieser Serie hier berichten werde.
Diese „giftige“ Tarantel kann mit einem Biss eine Maus oder einen Spatzen lähmen oder gar töten. Allerdings scheint sie Menschen gegenüber nicht sehr beißfreudig zu sein, denn aus der Ukraine wird berichtet, dass dort sogar die Kinder mit ihr spielen.
Text und Fotos: Wolfram Martin
Alljährlich so gegen Ende Juli, Anfang August werden einige Leute bei uns in Wittgenstein nervös, da man ja immer der oder die Erste sein will, wenn es ums Sammeln der Pilze geht. Das Sammeln von Pilzen dient ja bei uns in erster Linie schon lange nicht mehr der reinen Ernährung, sondern das Bestimmen, Sammeln, Verwerten und die reine Freude an der Vielgestaltigkeit der Pilze steht bei Sammlern und Kennern im Vordergrund.
Seit jeher beschäftigt sowohl den Laien als auch den „semi-professionellen“ Mykologen die Frage: Pilze abschneiden oder mit der Wurzel behutsam herausdrehen? Diese Frage kann nie eindeutig mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden, sondern ist davon abhängig, welche Vorkenntnisse man über Pilze und was man mit den gesammelten Pilzen vorhat. Ist man sich bei der Bestimmung am Ort sicher – oder man sammelt nur eindeutig bekannte Arten – wird von den meisten Wittgensteiner Experten nicht nur aus dem Umfeld des Bad Laaspher Pilzmuseums ein vorsichtiges Abschneiden direkt über dem Boden empfohlen. Hierzu eignen sich Küchen- oder Taschenmesser, der engagierte Pilzfreund jedoch bevorzugt ein spezielles Pilzmesser mit gebogener Klinge und integrierten Putzpinsel, damit die Pilze gleich noch im Wald klassisch gesäubert, das heißt immer geputzt und nie gewaschen werden können.
Anders verhält es sich, wenn man die gesammelten Exemplare erst zu Hause bestimmen (oder fotografieren) will oder muß. Dann wird ein vorsichtiges Herausdrehen mit Stiel und Stielbasis (Stielknolle), beziehungsweise ein Heraushebeln mit dem Pilzmesser empfohlen, da beide oft wichtige zusätzliche Bestimmungsmerkmale darstellen. Wichtig hierbei, dass das entstandene Loch im Boden wieder vorsichtig verschlossen (zugedrückt oder -getreten) wird, damit das lichtempfindliche Myzel (das unterirdische Wurzelgeflecht) nicht beschädigt wird oder austrocknet. Ebenso vorsichtig wie das Abschneiden, Herausdrehen oder Heraushebeln sollten das Hineinlegen in den Pilzkorb und der Transport geschehen, denn Pilze werden immer (!) in einem luftigen Korb, nur in Ausnahmenfällen in einer Leinentasche und nie (!) in einem Plastikbeutel verstaut. In Plastik verstaute Pilze können insbesondere bei warmem, schwülem Sommerwetter wegen ihres hohen Eiweißgehaltes leicht verderben und dann nicht nur unverdaulich sondern auch giftig werden.
Auch bei den Naturfotografen scheiden sich bezüglich Pilzfotografie die Geister. Die einen lassen nur die Fotografie in natürlicher Umgebung zu und lehnen jede „Künstlichkeit“ als „unnütze Manipulation“ kategorisch ab. Die Perfektionisten dieses Genres allerdings empfehlen immer ein Mitnehmen und die Fotografie „unter kontrollierten Bedingungen“, das heißt, immer mit Stiel, Stielbasis und ein wenig Moos, Sand, Erde oder Waldboden, da sich nur so dem Betrachter (und Sammler) die wahre Schönheit eines Pilzes erschließt. Und das alles auch noch immer (!) vor weißem Hintergrund, da nur hierdurch in der digitalen Fotografie ein automatischer Weißabgleich und somit später auf dem Foto natürliche Farbgebung gewährleistet sind.
Text und Fotos: Wolfram Martin
Für Wittgensteiner Schmetterlingsfreunde und insbesondere Makro-Naturfotografen gilt die Raupe des Buchen-Streckfußes einerseits als eine der attraktivsten, und andererseits als eine große fotografische Herausforderung.
Mit seiner langen, dichten, gelb bis gelbgrünlichen Behaarung, seinen rasierpinselartigen Haarbüscheln am Rücken und dem schmaleren, längerem, „rötlich-bunten Pinsel“ auf dem elften Segment vermutet zunächst kein Mensch, das sich hinter diesem bunten, attraktiven Raupentier ein höchst unscheinbarer, überwiegend grau gefärbter Nachtfalter verbirgt.
Der zur Familie der Trägspinner und Graueulchen zählende Schmetterling kommt bei uns im Edertal überwiegend in Laubwäldern, aber auch in Hecken und an Straßenrändern, sowie in Parkanlagen und Gärten vor. Er gilt als „weit verbreitet“ und „nicht selten“, wird aber kaum oder gar nicht und wenn dann nur von Spezialisten wahrgenommen. Die Falter sind nachtaktiv und werden häufig von künstlichen Lichtquellen angezogen. Tagsüber ruhen sie mit schräg und auffallend lang nach vorn ausgestreckten Vorderbeinen (daher der deutsche Name „Streckfuß“), die zudem noch dicht pelzig behaart sind, an Baumstämmen oder sonstigen grauen Untergrund.
Die Jungraupen leben zunächst in sogenannten „Raupenspiegeln“ zusammen, trennen sich dann aber alsbald. Im letzten Raupenstadium sind sie besonders attraktiv und geradezu „fotogen“. Überdies zeigen die Raupen ein markantes Abwehrverhalten: Sie ziehen bei Bedrohung oder Gefahr ihren Kopf ein und krümmen den Vorderkörper stark nach unten, sodass sich die vorderen Rumpfringe aufblähen und zwischen ihnen die schwarze Haut sichtbar wird. Die besonders ins Auge springenden Haarbüschel sollen ganz offensichtlich mittels Reizwirkung Freßfeinde abhalten oder zumindest verunsichern. Die Raupen verpuppen sich in einem mit ihren eigenen Haaren gespickten Kokon am Erdboden und überwintern dort.
Das Auftreten der Falter ist bei uns von April bis August, das der Raupen von Juni bis Oktober zu beobachten. Als Futterpflanzen des Buchen-Streckfußes gelten: Salweide, Hainbuche, Rotbuche, Stieleiche, Haselnuß, Birke, Apfelbaum und Eberesche.
Diese attraktive Raupe veranlaßt uns, mit einem speziellen Hinweis für Schmetterlings-, Spinnen- und Insektenfreunde oder solche, die es werden wollen. Dr. Heiko Bellmann war es, der mich als ganz, ganz jungen Naturfotografen mit einem Diavortrag überzeugt hat, in die Nah- und Makrofotografie einzusteigen.
Und wer heute noch zu diesen Themen etwas sucht, wird bei ihm in seinen Naturführern (alle bei KOSMOS erschienen) garantiert fündig. Keiner weiß mehr und keiner kann es besser, anschaulicher und spannender erklären. Nah- und Makrofotografie setzt allerdings voraus, dass man neben Geduld, biologischem und etwas fotografisch-technischem Wissen auch die Überwindung mitbringt, häufig in Bauchlage fotografieren zu müssen. Aber ein bißchen Bodenhaftung und „Erdung“ hat noch niemandem geschadet…
Text und Fotos: Wolfram Martin
Die sprichwörtliche „dumme Sau“ fällt nicht nur der primitiven Sprache wegen immer auf den Herausgeber zurück, sondern auch, weil es sie gar nicht gibt.
Schweine, insbesondere deren „wilde“ Vorfahren, also die Wildschweine, das Schwarzwild oder die Wildsauen, wie die Jäger sie respektvoll nennen, zählen zu den intelligentesten Tieren überhaupt.
Nach neuesten Erkenntnissen sollen sie sogar den Wolf oder Hund übertreffen, zumindest ihnen aber ebenbürtig sein. Und noch ein Wesenszug scheint geradezu spektakulär, nämlich ihre Annäherung
oder Hinwendung zum Menschen. Wenn Wildschweine sich erst einmal von der Ungefährlichkeit eines Menschen überzeugt haben, danken sie es ihm mit grenzenlosem – und eigentlich
„wildtier-untypischem“ Vertrauen. Auch kranke oder verletzte Sauen scheinen die Nähe der Menschen zu suchen, wie immer wieder von Personen von Aussiedlerhöfen oder einsamen Forsthäusern und Höfen
bestätigt wird.
Im Gegenzug dazu merken sie sich negative Erlebnisse, zum Beispiel Jagderfahrungen in Form von Gehör- oder Geruchserkenntnissen, über Jahre hinweg. So wurde wiederholt und unabhängig voneinander berichtet, dass eine Rotte Sauen annähernd eine Stunde „starr und andächtig“ den Klängen eines nächtlichen Sommerkonzertes lauschte, um andererseits bei einem jagdhornähnlichen Hupgeräusch fluchtartig das Weite zu suchen.
All diese Erkenntnisse sind so neu nicht und ältere Jäger, erfahrene Tierfotografen und empathische Naturfreunde wissen es längst, dass die Wildschweine zu den intelligentesten und
sympathischsten Säugetieren Mitteleuropas zählen.
Intelligenz heißt im Tierreich häufig Anpassungsfähigkeit und dies bedeutet nichts anderes, als aus Erfahrungen und Beobachtungen bis zu einem gewissen Grad Schlüsse zu ziehen. Genau dies
können unsere heimischen Wildschweine, vom kleinen Frischling oder Frosch, über den Überläufer bis hin zu Bache oder Keiler.
Obendrein sind Wildschweine mit ihren langen, kräftigen, bis weit aus den Kiefern ragenden Waffen, den Hauern, äußerst wehrhafte Tiere, die außerdem, genau wie die Hausschweine auch, eine
gewaltige Beißkraft besitzen. Aus diesem Grunde galten die Sauen einst als „ritterliches Wild“.
Das scheint sich in manchen Gegenden Deutschlands geändert zu haben, denn dort spricht man von „Plage“ und leitet daraus ab, sie mit allen „unritterlichen“ Mitteln, wie Frischlingsfallen oder
Saufängen ausrotten zu müssen.
Hubertus sei Dank ist dies in Berghausen noch nicht so. Hier gibt es auch nach manchen Mastjahren von Buche und Eiche gewaltige Populationssteigerungen, doch derart starke Zuwächse wie in Mais- und Rapsanbaugebieten sind bei uns eher selten. Und im Wald sind Wildschweine mit ihrer Art der Nahrungssuche, den Boden nach Würmern, Larven, Engerlingen und Pilzen suchend zu durchwühlen, eher nützlich als schädlich.
Sauen gelten auch bei uns in Wittgenstein als nacht- oder zumindest dämmerungsaktiv. Das heißt aber nicht, dass sie es von der Veranlagung her sind. Vielmehr haben Verfolgung allgemein und erhöhter Jagddruck sie zu Nachtgespenstern werden lassen. Dort, wo dies nicht so intensiv betrieben wird, wo man ihnen über Monate Jagdruhe gönnt, zum Beispiel in den fürstlichen Revieren rund um Bad Berleburg, kann man als Wanderer oder Naturfotograf diese intelligenten Wildtiere mit etwas Glück auch während der Tageszeit in aller Ruhe und Gelassenheit beobachten.
Text und Fotos: Wolfram Martin
Gefahr für unsere heimischen Glücksbringer: Asiatischer Harlekin-Marienkäfer
Sie gelten auch bei uns in Berghausen als hübsch und süß, nützlich und „zutraulich“, hängen nicht selten an Hals- oder Armbändern und ihre Nähe soll Glück verheißen. Die Rede ist vom Marienkäfer. Rund 80 Arten von ihnen soll es in Deutschland geben, vom häufigsten, dem Siebenpunkt- bis zum Vierundzwanzigpunkt- oder Augenmarienkäfer. Jetzt haben unsere heimischen Blattlausvertilger nicht nur Konkurrenz bekommen, sondern es geht um ihr Überleben.
Der Asiatische Harlekin-Marienkäfer (Harmonia axyridis) ist seit ein paar Jahren im Anmarsch und bereits in Wittgenstein angekommen. Der ursprünglich aus Asien stammende Käfer wurde zunächst in die USA und später dann auch nach Europa zur „biologischen Schädlingsbekämpfung“ (möglicherweise in Deutschland nur in Gewächshausanlagen) eingeführt.
Das erste freilebende Exemplar dieses „Einwanderers“ in Europa wurde 2001 in Belgien gefunden. Seit dieser Zeit hat sich die Art schnell ausgebreitet. Seit 2002 wird er in Westdeutschland gesichtet und seit 2004 ist er in Teilen Frankreichs und im Süden Großbritanniens anzutreffen. Die genauen Verbreitungsgrenzen sind nicht bekannt, aber der Käfer ist mittlerweile in ganz Deutschland und schließlich auch in Berghäuser Gärten anzutreffen.
Er scheint nämlich ein wahrer Sexprotz und darüber hinaus ein Vielfraß zu sein, der fünfmal mehr Blattläuse vertilgen kann, als unsere heimischen Arten.
Mit einer Körperlänge von sechs bis acht Millimeter ist er ungefähr so groß wie unser bekannter Siebenpunkt. Ihn zeichnet eine sehr abwechslungsreiche Färbung aus, die zwischen hellgelb und
dunkelrot variiert. Dabei können die schwarzen Flecken mal mehr, mal weniger ausgeprägt sein und manche Käfer kommen „fast schwarz“ mit roten Punkten, andere wieder gänzlich ohne rote Punkte
daher. Das Halsschild ist weiß bis hell-gelblich und wird in der Mitte durch ein schwarzes „M“ oder „W“ charakterisiert, das ihm sein clowneskes (Harlekin = Clown) Aussehen und schließlich den
deutschen Artnamen verlieh.
Der Asiatische Marienkäfer kann pro Tag 100 bis 270 Blattläuse vertilgen. Allerdings verschmäht er auch andere weichschalige Insekten, Insekteneier und Larven nicht und geht mangels tierischer Nahrung auch an weiches Obst, insbesondere Weintrauben.
Was aber macht diesen „asiatischen Eindringling“ so gefährlich für unsere heimischen Arten? Der Harlekin-Käfer birgt in seiner Körperflüssigkeit einen einzelligen Parasiten im Ruhezustand, der sich dort geringfügig vermehrt und der ihm anscheinend nicht schadet. Da einheimische Marienkäfer auch die Eier oder Larven des Harlekin-Käfers fressen, werden sie anschließend von dem Parasit infiziert und gehen mangels Immunität daran zugrunde.
Ein weiteres Problem stellt der „Asiat“ für die Weinwirtschaft dar. Gelangen die Käfer im Zuge der Weinlese mit in die Verarbeitung der Trauben, so geht deren Hämolymphe mit in die Maische oder den Most über und macht den Wein bitter.
Ein Harlekin-Käfer soll genügen, um hundert bis tausend Liter Wein zu ruinieren.
Text und Fotos: Wolfram Martin
Immer um die Osterzeit erinnern wir Berghäuser uns eines Tieres, das mit langen Ohren – genannt Löffel – dahergehoppelt kommt und das gesamte Jahr über eher wenig Beachtung findet.
Zu jener Zeit, als Günther Radenbach und sein Freund, der Kunstmaler Oswald Römer im Winterscheid, auf dem Seibrig und am Rabekippel auf die Jagd gingen und sich zur Weihnachtszeit ihren „Küchenhasen“ schossen, sprachen sie eigentlich immer nur von „unseren Hasen“.
Lepus europaeus, so sein lateinischer Name, heißt eigentlich biologisch richtig Feldhase, obwohl er bei uns in Wittgenstein im Walde vorkommt und deshalb Waldhase genannt wird. Was natürlich auch nicht ganz richtig ist, denn der eigentliche Waldhase ist nämlich der Schneehase, lateinisch Lepus timidus, und der kommt, obwohl es ja bei uns auch genügend Schnee gibt, nur in Skandinavien und in den Alpen vor.
Und beide, sowohl der Feld- als auch der Schneehase, dürfen nicht mit dem ähnlich aussehenden Wildkaninchen (lat. Oryctolagus cuniculus) oder dem Hauskaninchen (sprich: Stallhasen, obwohl es im Jägerjargon auch noch den „Dachhasen“ gibt) verwechselt werden.
Nordrhein-Westfalen ist Hasenland Nummer 1 – meldet der Landesjagdverband NRW und beruft sich auf seine Hasenzählungen. Durchschnittlich sollen demnach 35 Hasen auf einem Quadratkilometer herummümmeln, denn seit Hermann Löns heißt der Hase im Volksmund auch Mümmelmann. Die meisten Mümmelmänner (und –frauen, wie sollten sie sich denn sonst vermehren?) soll es in unserem Bundesland am Niederrhein und im westfälischen Tiefland geben. In Wittgenstein wahrscheinlich am wenigsten. Denn durchschnittlich haben die Wittgensteiner Grünröcke (so darf man Jäger nennen, obwohl sie Hosen anhaben) jährlich nur zwischen 45 und 100 Hasen erlegt. Möglicherweise noch weniger, da viele Hasen von Autos überfahren und von Kreiselmähern zerschreddert werden.
Bei uns im Bergland des Sieger- und Wittgensteiner Landes hat es noch nie viele Hasen gegeben und die Population schwankt auch immer mal. Die Gründe sind vielfältig: Zum einen mag der Hase das rauhe Klima nicht sonderlich, dann ist der Feldhase eine Art Feinschmecker, der abwechslungsreiche Feldkräuter über alles liebt und diese zum Wohlbefinden und zur Gesundheit braucht. Weiterhin lauern überall Gefahren, denn neben den Autos sind es Wildschweine, Krähen, Elstern, Füchse, Greifvögel und vor allem streunende und wildernde Katzen, die den armen Mümmelmännern (und –frauen) nachstellen. Bezüglich Äsung wäre unseren Wittgensteiner Waldhasen schon geholfen, wenn Böschungs-, Feld- und Wiesenränder nicht abgeholzt und ungedüngt und ungegüllt blieben.
Ja, und dann gibt es noch zwei besondere Spezies von Langohren oder Löffelmännern (und-frauen). Zunächst den Osterhasen. Der kommt endemisch nur in einem Wald zwischen Hildesheim und Hameln, dem Osterwald, das ganze Jahr über vor, wohingegen eine andere Unterart des Osterhasen – entweder in Silber- oder Goldpapier umhüllt oder mit Rucksack bestückt (wie sollte er sonst auch die Ostereier transportieren?) – nur zur Osterzeit anzutreffen ist.
Eine weitere, bemerkenswerte Unterart des Hasen hat man erst seit kurzer Zeit – seit etwa 2013, als die Wisente bei uns freigesetzt wurden – insbesondere jenseits des Rothaarkammes, dort aber immerhin in ansehnlicher Populationsstärke beobachtet: Die A…hasen! Diese Unterart läßt sich auch ohne direkte Beobachtung allein anhand des Trittes (auch Spur oder Fährte) nachweisen, weil sie nämlich immer etwas ängstlich und furchtsam, also hasenfüßig daherkommt.
Der typische Wittgensteiner Waldhase ist eigentlich ein Einzelgänger. Nur zur Hasenhochzeit, die nicht immer die Osterzeit ist, sieht man mal mehr als zwei Hasen zusammen, weil eine attraktive Häsin die männlichen Hasen magisch anzieht.
Text und Fotos: Wolfram Martin
Woanders ein Touristik-Magnet, in Wittgenstein eher unbekannt:
Die Märzenbechertal bei Beddelhausen und Berghausen
Der Frühjahrsmonat März gab dieser zu den Amaryllisgewächsen zählenden Art den deutschen Namen: Märzbecher, Märzenbecher, Märzglöckchen oder auch Großes Schneeglöckchen. Unter (deutschen) Biologen heißt sie richtigerweise Frühlings-Knotenblume und die Lateiner nennen sie Leucojum vernum, was so viel heißt wie leukos (griechisch =) weiß, ion = Veilchen (aufgrund des veilchenartigen Geruches) und der Artname vernum geht auf den lateinischen Frühling zurück.
Diese streng geschützte Frühlingspflanze beansprucht feuchte, nährstoffreiche, mäßig saure Böden, mag vorzugsweise Laub- und Laub-Mischwälder und gedeiht prächtig in sogenannten Schluchtwäldern auch und insbesondere auf leicht moorigen Böden in der Nähe von kleineren Bächen. Größere, flächenartige Vorkommen in Deutschland sind rar und stehen fast überall unter Naturschutz, so z.B. der Leipziger Auwald oder der Schweineberg bei Hameln und locken alljährlich zur Blütezeit im März oder Anfang April zahlreiche Touristen an.
Auch in Wittgenstein gibt es so ein „flächiges“ Vorkommen in einem wild-romantischen Tal, welches es allein aufgrund seiner großen Ausdehnung von mehreren hundert Metern verdient hätte,
einerseits unter besonderen Schutz, sprich Naturschutz, gestellt zu werden und andererseits mittels touristischer Hinweise ein wenig mehr Berühmtheit zu erlangen.
In Beddelhausen, im Ennersbachtal scheinen sich die Märzenbecher besonders wohl zu fühlen und blühen dort aufgrund der kalten, engen, oft schneereichen Schlucht- oder Tallage nicht selten weit
bis in den April hinein. Eine eher kleineres Areal – und daher weniger bekannt und besucht – findet sich in der Gemarkung Berghausen-Grünewald.
Die Frühlings-Knotenblume erreicht Wuchshöhen von zehn bis 30 Zentimeter. Sie bildet unterirdische Zwiebeln als Überdauerungsorgane aus und diese etwa zwei Zentimeter dicken Zwiebeln liegen bis zu 30 Zentimeter tief im Erdreich. Bereits im Frühsommer werden die Laubblätter wieder eingezogen.
Charakteristisch für den Märzenbecher ist die etwa 3,5 Zentimeter lange einblättrig wirkende „Blattscheide“, die aus zwei miteinander verwachsenen Hochblättern den ansonsten blattlosen Stengel überragt. Die nach Veilchen duftenden, weißgefärbten, glockenförmigen Blüten hängen meist einzeln, selten zu zweit am Blütenschaft. Die sechs Blüten-Deckblätter sind annähernd gleich lang und sind an den stumpf-zipflig auslaufenden Blattspitzen mit einer gelben, manchmal auch gelb-grünlichen Tüpfelung apart und frühlingshaft bunt verziert. Hauptbestäuber dieser Blüten sind Bienen und Tagfalter.
Die gesamte Pflanze ist giftig, da sie Alkaloide wie Lycorin und Galantamin bildet.
Nach der Bundesartenschutzverordnung gelten die Märzenbecher als besonders geschützt, dürfen somit nicht entnommen werden und gelten gemäß der Roten Liste als „besonders gefährdet“, weil häufig durch Eingriffe in den Lebensraum, wie beispielsweise die Umwandlung naturnaher Wälder oder auch Entwässerungsmaßnahmen sowie die Wiederaufforstung von Moorflächen den Lebensraum dieser hübschen Frühjahrsblume vernichten.
Es bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass der anscheinend ideale Lebensraum der Märzenbecher in den Gemarkungen Beddelhausen und Berghausen zukünftig als natürliches Kleinod für möglichst viele Generationen von Waldwanderen und Naturfreunden erhalten bleibt.
Text und Foto: Wolfram Martin
Ein rotes Männlein im Winterwald: Die Hagebutte
Ein Männlein steht im Walde
ganz still und stumm,
es hat vor lauter Purpur
ein Mäntlein um.
Sagt, wer mag das Männlein sein,
das da steht im Wald allein
mit purpur roten Mäntelein?
Trotz Rauhreif und Schnee im Edertal und auf den Höhen rund um Berghausen ziehen rote Früchte insbesondere an Böschungen und Waldrändern den Blick des aufmerksamen Naturfreundes wie magisch an. Es handelt sich um die „ungiftigen Sammelnußfrüchte“ diverser Wildrosengewächse, die wir gemeinhin als Hagebutten bezeichnen.
Der Name Hagebutte leitet sich einerseits vom altdeutschen Wort Hag für Hecke, Geheck, Umhegung, Umzäunung und Umhegen ab, und andererseits vom süddeutschen Begriff Butz, Butzen für Verdickung.
Der noch heute übliche jägerische Begriff Hege für Umhegen, Umsorgen, Behüten ist übrigens gleichen Ursprungs. Somit weisen die Hagebutten, wie alle anderen Wildrosengewächse auch, schon mit
ihrem Namen auf die einzigartige Bedeutung dieser Sträucher in Hecken, an Böschungen und an Wildrändern hin:
Im Sommer sorgen sie für ein gesundes Kleinklima und eine Bienen- und Hummelwiede an eben diesen Standorten und im Winter stellen die roten, orangeroten, vitaminreichen Früchte für allerlei
Getier eine wichtige Nahrungsquelle dar.
Besonders auf Grünfinken üben die roten Früchte anscheinend eine magische Anziehungskraft aus und nach dem Öffnen und Verzehr dieser Butten sieht man nicht selten diese Vögel mit
„Hagebuttenschminke“ am Schnabel am Futterhaus auftauchen.
Das Fruchtfleisch der im Spätherbst geernteten Früchte entsteht aus dem fleischigen Blütenboden. Es ist süßsauer und soll reich an Vitaminen, insbesondere Vitamin C (Ascorbinsäure), aber auch
Vitamin A, B1 und B2 sein.
Die kleinen Nüsse der Hagebutte sind mit feinen, widerhaken-bestückten Härchen bedeckt, die bei Hautkontakt Juckreiz hervorrufen. Deshalb sollten die Samen nicht mitgegessen oder -verarbeitet
werden. Vor allem Kinder nutzten früher die Samen zur Herstellung von „Juckpulver“, weil dies bei Berührung schmerzt, juckt und möglicherweise eine Allergie hervorrufen kann.
Hagebutten können, nachdem die Nüsschen entfernt werden, roh gegessen oder verarbeitet werden. Je später man sie pflückt, desto süßer sind sie. Die Früchte bleiben häufig den ganzen Winter am Strauch und sind oft auch noch im zeitigen Frühjahr nach Durchfrosten problemlos genießbar.
Das alte Volkslied Ein Männlein steht im Walde von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) – siehe oben - bezieht sich übrigens auf eben unsere Hagebutte.
Text und Foto: Wolfram Martin:
Viele Vögel stellen zur Winterzeit nicht nur ihr Nahrungsverhalten, sondern gleich ihre gesamte Lebensweise um. Ein typisches Beispiel hierfür ist der bei uns im Wittgensteiner Edertal recht häufig anzutreffende Buntspecht. Diese mit 23 Zentimeter große, bunte Spechtart findet man den Sommer über vorwiegend in Laub-, Misch- und Nadelwäldern, aber auch in größeren Parkanlagen. Zur Winterzeit jedoch scheint der „Zimmermann des Waldes“ geradezu die Nähe des Menschen zu suchen.
Überall da, wo im Dorf Sing- und Finkenvögel wintertags mit Futter versorgt werden, läßt sich auch unser schwarz-weiß-rot gefiederte Specht sehen. Er, der sonst mit seiner langen Zunge in Borke und morschem Holz nach Bauminsekten wie Spinnen, Larven und Käfern sucht, scheint sich plötzlich auch für Meisenknödel in allen Variationen zu interessieren und ist dabei nicht sonderlich wählerisch. Der recht anpassungsfähige Buntspecht ist die am wenigsten spezialisierte heimische Spechtart, er gilt somit als Nahrungs- und Verhaltensgeneralist.
Zunächst waren es merkwürdig „künstlerisch“ geöffnete und eigentlich für den Tannenhäher ausgelegte Haselnüsse, die unsere Aufmerksamkeit erregten. Dann ein minutenlanges Hämmern und Klopfen, welches wir schließlich einem männlichen Buntspecht zuordnen konnten, denn nur der männliche Vogel hat einen roten Nackenring. Er, den wir sonst im Garten noch nie mit einer Nuss gesehen haben, scheint plötzlich ein unstillbares Verlangen nach Haselnüssen zu haben.
Mühevoll klemmt er diese hartschaligen Nüsse in eine Astgabel oder Vertiefung, oder er zimmert sich extra eine Astmulde als Amboß (die sogenannte Spechtschmiede) und hämmert ewig lang daran herum, bis ein entsprechend großes und nicht selten kreisrundes Loch „ausgehackt“ ist, aus dem er den Nusskern mit Schnabel und Zunge herauspuhlen kann. Dieses anhaltende Hämmern und sorgfältige Herauspuhlen unterscheidet sich gravierend von dem des Tannenhähers, der mit einigen wenigen Schnabelhieben eine noch so harte Haselnuss zertrümmert, um dann die Nuss in kleinen Brocken zu verzehren.
Das Auffinden löchriger Haselnussschalen im Garten ist also immer ein Indiz für die Anwesenheit des Buntspechtes, da keine andere Vogelart derart akkurate Löcher heraushackt. Auch scheint er unsere Gärten zur Winterzeit nicht nur sporadisch und nur zur Nahrungssuche aufzusuchen, sondern viele Anzeichen sprechen dafür, daß er seinen Wohn- und Aufenthaltsraum zur kalten Jahreszeit gleich ganz in Dorf- und somit Menschennähe verlegt. Mehrfach konnte beobachtet werden, daß er über Wochen und Monate Staren- und andere größere Nistkästen als nächtliches Schlafquartier bezieht.
So sympathisch uns dieser „Schönling“ am Futterhaus auch erscheinen mag, so muß fairerweise angemerkt werden, dass durchaus auch Nestplünderungen beobachtet worden sind, er also vorzugsweise Meisen- und Kleiberhöhlen sowie Unterkünfte von kleineren Spechtarten aufzimmert, um an die Jungvögel heranzukommen.
Text und Fotos: Wolfram Martin