Berghäuser Flora und Fauna

Archiv 2020


November/Dezember: Die Kohlmeise

Kohlmeise: Auch im Ortsbereich Berghausen und im Edertal im Winter einer der häufigsten Gartenvögel.
Kohlmeise: Auch im Ortsbereich Berghausen und im Edertal im Winter einer der häufigsten Gartenvögel.
Nur auf den ersten Blick zu verwechseln: links unten Kohl-, oben rechts Tannenmeise.
Nur auf den ersten Blick zu verwechseln: links unten Kohl-, oben rechts Tannenmeise.

Eine Auswertung des NABU anläßlich der Wintervogelzählung der vergangenen Jahre ergab, dass die Kohlmeise anscheinend der häufigste Besucher in unseren Gärten ist. Dies können Wittgensteins Gartenbesitzer und Vogelzähler bestätigen, denn auch in Berghäuser Gärten hüpft und klettert dieser hübsche Kleinvogel neben Blau-, Tannen-, Sumpf- und Haubenmeise häufig am winterlichen Futterhaus umher. Verwechselt werden kann die Kohlmeise eigentlich nur mit ihrer etwas „kleineren Schwester“, der Tannenmeise, die aber keinen schwarzen Längsstreif auf der Brust hat.

Beobachtet man diese Vögel aus einem sicheren Versteck – zum Beispiel einem Fotoansitzzelt – heraus über längere Zeit fällt auf, dass auch Kohlmeisen unterschiedliche Charaktere zu haben scheinen. Da entdeckt man die Streitlustige, die Zaghafte, die Schüchterne, die Hektische und die Phlegmatische. Manche sind vorsichtig und ängstlich, „klauen“ sich geschwind ein Körnchen und verschwinden gleich wieder. Andere wiederum untersuchen sehr gewissenhaft das angebotene Futter und „puhlen“ es an Ort und Stelle gleich auf. Einige nehmen vor jeden anderen Vogel Reißaus, wiederum andere gehen einem Streit mit der viel größeren Amsel nicht aus dem Wege. Auch unterschiedliche Warnrufe vernimmt der aufmerksame Beobachter. Kohlmeisen warnen vor Luftfeinden – z.B. Greifvögel – ganz anders, als vor Bodenfeinden, wie Katzen. Eine Tatsache, die bisher nur Amsel- und Rabenvögeln vorbehalten schien. 

 

Britische Forscher haben herausgefunden, dass Meisen sogar zu regelrechten Familiendialekten fähig sind. Vielleicht brauchen sie dies auch, denn Meisen sind Familientiere. Sie brüten kooperativ und nicht nur Vater und Mutter kümmern sich um den Nachwuchs, sondern manchmal springen auch Onkel und Tanten hilfreich ein.

Bei so viel Familiensinn kein Wunder, dass Meisen, allen voran unsere heimischen Kohlmeisen, auch sehr lernfähig sind und durch Beobachtung lernen. So haben sie sehr schnell erkannt, dass der Tannenhäher, wenn er eine Haselnuß zertrümmert und sich den Kern zerbröselt, häufig etwas fallen läßt. Um diese Nußkrümel kümmern sich sehr schnell die Meisen und es fällt auf, dass sich mit der Zeit bei uns im Garten zwischen Tannenhähern und Kohlmeisen eine regelrechte „Nuß-Verbindung“ gebildet hat.

  

 

Text und Fotos: Wolfram Martin


Oktober/November: Kraniche - Vögel des Glücks über Berghausen

„Schneegänse“ (Kraniche) über Berghausen. Text und Foto: Wolfram Martin
„Schneegänse“ (Kraniche) über Berghausen. Text und Foto: Wolfram Martin

Ziemlich pünktlich zum 20. Oktober erschallt dieser rauhe, krächzende Ruf der im Herbst nach Süden „wandernden Kraniche“, die die echten Wittgensteiner mundartlich „Schnee- oder Hoagänse“ nennen.

 

Die Uhr der Zugvögel, insbesondere die der Kraniche, tickt eben doch sehr präzise, denn alljährlich im Herbst so um den 20. Oktober bis etwa Mitte November überqueren die „Vögel des Glücks“ das Rothaargebirge auf dem Weg Richtung Südfrankreich, um dort zu überwintern.

Dieses Verlassen auf die „innere Uhr“ birgt aber auch Gefahren insofern, als die wandernden Vögel durchaus in ein Kalt- oder Schlechtwetterfrontensystem fliegen können – und dann wieder umkehren oder irgendwo zwischenlanden müssen. Als sogenannte „Teilzieher“ kommen die Kraniche mit diesem System aber sehr gut zurecht, denn sie machen je nach Wetterlage schon mal mehrere Tage Rast in milderen Zonen.

 

Der Kranich ist in Mitteleuropa als Brutvogel überwiegend östlich der Elbe und in Moor- und ausgedehnten Sumpflandschaften Niedersachsens (z.B. Lüneburger Heide) sowie in Skandinavien anzutreffen. Obwohl die Kranichbestände Deutschlands ständig zu wachsen scheinen, droht ihnen seit Jahren eine Einengung ihres Brutgebietes in Ostdeutschland durch Ausweisungen von Windkraftzonen. Doch auch Windparks in NRW gefährden diese Vögel nicht nur auf dem Flug, sondern auch und insbesondere bei Schlechtwetterlagen und Zwischenrasten wie hier bei uns im Rothaargebirge. Obwohl Wittgenstein kein Kranichland ist, scheint er dennoch bei uns allgegenwärtig. Dies liegt wohl daran, daß dieser große Vogel (bezogen auf die Höhe ist es der größte Vogel Mitteleuropas) sehr selten ist, extremen Schutz genießt und die Schutzbemühungen allein aufgrund der namhaften Sponsoren wie z.B. Lufthansa eine große Außenwirkung erreichen. Er ferner in Einehe lebt – und zweimal im Jahr das Rothaargebirge besucht.

 

Wittgenstein liegt so ziemlich inmitten der Zugroute der Vögel, die über Südfrankreich und Gibraltar bis ins nördliche Afrika ziehen, während der östliche Zug über Ungarn, mit Rast in der Hortobágy-Puszta über den Bosporus führt. Diese markanten Flüge, zumeist in kräftesparender Keil- oder 1-Form mit den rauhen Rufen rühren anscheinend die Menschen oder wecken Sehnsüchte. Kaum einer kann sich der Faszination des Kranichzuges entziehen. Zumal die Kraniche zu allen Tageszeiten und sogar in der Nacht fliegen.

 

 

Gar nicht so selten kommt es vor, daß einige Gruppen oder kleinere Trupps sich für mehrere Tage in Wittgenstein aufhalten, so z. B. auf der Birkefehler oder Sassenhäuser Höhe, in den Ederauen rund um Berghausen, auf den Ecke-Wiesen, im Markhäuser Feld zwischen Berghausen und Raumland sowie auf dem Sohl bei Aue. Somit tragen auch wir in Wittgenstein Verantwortung für eine besonders geschützte Vogelart, obwohl diese bei uns kein Brutvogel ist. 


Oktober: Flora, Fauna – Funga…

 

Mit der griffigen und flüssigen Formel „Flora und Fauna“ haben wir uns angewöhnt, die Natur als Ganzheit beschreiben zu können oder zu wollen, beziehungsweise diese in unsere „grünen“ Betrachtungen einzubeziehen. So auch als Titel zu unserer „grünen Rubrik“ auf dieser Homepage. Doch spätestens seit Carl von Linné – und das sind jetzt rund dreihundert Jahre her – haben wir damit eine große, womöglich die größte Gruppe von Lebewesen ausgegrenzt: Die Pilze.

Seit Linné gehören die Pilze weder zu den Pflanzen noch zu den Tieren, sondern stellen eine eigene Gruppe dar, obwohl sogar bekannte Biologen und Pilzforscher auch heute immer noch fälschlicherweise von „Pilzflora“ sprechen. „Flora, Fauna, Funga“ wäre richtig und sinnvoller.

 

 

Weltweit gibt es mehr unbekannte, bzw. unbeschriebene als bekannte Pilze und eine regionale Pilzfachfrau aus dem Siegerland teilte uns mit, daß es in Wittgenstein „so ungefähr zwischen 2.000 und 4.000 Pilze gibt“. Wie viele davon zu den sogenannten „Großpilzen“ (also mit großem Fruchtkörper) und davon wiederum zu den eßbaren Pilzen zählen, kann nur vage geschätzt werden. Genaue Zahlen liegen nicht vor. In modernen Bestimmungsbüchern werden im Schnitt „600 eßbare und giftige Pilze“ vorgestellt und beschrieben.

Da das Berghäuser Edertal aufgrund seines hohen Waldanteils automatisch auch als Pilzland angesehen werden kann ist davon auszugehen, daß es bei uns in Wittgenstein um die 500 Arten interessanter Großpilze gibt und wir somit schon allein aufgrund dieser Zahlen uns gezwungen sehen, uns innerhalb dieser Serie hin und wieder auch mit den Pilzen zu beschäftigen. Was nicht schwerfällt, denn Pilze sind nicht nur äußerst interessant, faszinierend, abwechslungs- und facettenreich, sondern auch farblich und „formlich“ schön. Ihr Form-, Farb- und Facettenreichtum sowie die Mystik rund um die Pilze spiegelt sich auch in den deutschen Namen wider: z. B. Krause Glucke, Hasenpfötchen, Stummelschwänzchen, Samtfuß, Ziegenlippe, Eselsohr; und dann die „düsteren“ Namen: Hexenröhrling, Hexenbutter, Medusenhaupt; und schließlich - Wotans Fleisch…

 

 

Dabei ist das, was wir von den Pilzen üblicherweise sehen, nur der kleinere Teil, nämlich nur der Fruchtkörper. Der größere Teil, der zum Beispiel beim Hallimasch größer als ein ganzes Fußballfeld sein kann, liegt als Geflecht, dünner, ins sich verflochtener Zellfäden unter der Erde und werden in ihrer Gesamtheit als Mycel bezeichnet. Bei uns können Pilze beachtliche Größen erreichen – im Pilzmuseum in Bad Laasphe haben wie einmal so ein beeindruckendes Riesenchampion-Präparat gesehen-, wie umgekehrt man einige nur als „Pilzzwerge“ bezeichnen darf, zum Beispiel jene, die verantwortlich dafür sind, daß in unseren Wäldern die Fichtennadeln in Humus umgewandelt werden, die Roßhaar- und Nadelschwindlinge, die nur gerade einen Hutdurchmesser von 0,5 bis 1,5 Zentimeter erreichen.

 

Und noch eine Funga-Absonderlichkeit: Obwohl der Wald jemandem gehört (Besitzrecht), Jäger dort jagen dürfen (Nutzungsrecht) und viele Pilze unter Naturschutz stehen, darf quasi jedermann nicht nur den Wald betreten (Waldbetretungsrecht), sondern dort auch – ernten. Man stelle sich vor, jeder dürfte in Nachbars Garten das Gleiche tun. Mit diesem Recht des Sammelns von Pilzen auf fremdem Grund und Boden sollten wir einesteils dankbar und andererseits respektvoll gegenüber Natur und Grundeigentümer umgehen.        

 

Text  und Fotos: Wolfram Martin

 

 

Flockenstielige Hexenröhrling:

 

Obwohl der Flockenstielige Hexenröhrling irgendwie „gefährlich“ aussieht und einen eher merkwürdigen Namen trägt, gilt er als ausgezeichneter Speisepilz. Allerdings sollte man Pilze nicht nach Zeitungsbildern sondern mittels guter Pilzbücher bestimmen.

 

 

 

 

 

 


September: Der Vogelbeerbaum, der Vuglbärbaam,                        der Vejjelbärböhm


Das „wilde Edertal“ leuchtet auch diesen Herbst wieder rot. Ganze Hänge und Schläge (wie zum Beispiel im Krimmelsbach, Lehmbach oder im Truftetal), zahlreiche Böschungen, unzählige Waldränder leuchten zurzeit rot – ebereschenrot, vogelbeerbaumrot.

 

Ja, ja, das Lied „Der Vogelbeerbaum…“ Im Original: Dar Vuglbärbaam – siehe Erklärung im Anhang*). In Berghäuser Mundart: Vejjelbärböhm.

Den meisten heimischen Jägern und Naturschützern sowie Forstleuten ist die Eberesche – Sorbus aucuparia, zusammengesetzt aus „avis“ = Vogel und „capire“ = fangen: aus den Trieben wurden früher Vogelleim hergestellt – ein gern gesehener Wildbaum in unseren Wäldern.

Sie ist in ganz Europa verbreitet, gilt als sehr genügsamer und geschätzter Pionierbaum insbesondere auf Kahlschlägen und an Waldrändern, kommt in Gebirgslagen bis zu 1000 Metern vor und gilt bei nicht wenigen Jägern aufgrund ihres Beerenreichtums als wahrer Wunderbaum, denn die Früchte werden am Baum sowohl von allerlei Vögeln als auch die heruntergefallenen Beeren gerne von Reh-, Rot- und Schwarzwild sowie von Fuchs, Dachs, Waschbär und sogar von Wisenten aufgenommen.

 

Die Eberesche kann gut „auf den Stock gesetzt“ werden, da sie immer wieder neu austreibt und dem Wild so als Rauhfutterpflanze während der Winterzeit als Äsung dient. Auch die Rinde wird vom Wild, insbesondere Rotwild und Wisenten, gerne geschält. Obwohl in den Frühherbst- bis Frühwintertagen bei den meisten Bäumen das bunte Laub schon herabgefallen ist, leuchten vielerorts im Wittgensteiner Bergland die Beeren, die roten Vogelbeeren der Eberesche von Ende August oft bis in den November hinein immer noch im satten Rot und locken Vögel in großer Zahl an. Doch zu wahren vorwinterlichen Futterorgien dienen sie den heimischen Standvögeln wie Amseln und Drosseln und vorüberziehenden Zug- und Strichvögeln quasi als Wegzehrung und so funktioniert dann auch über den Vogelkot die Vermehrung dieses für die Natur so wertvollen Baumes. Neben zahlreichen Sperlingen, Buch- und Bergfinken, unseren drei heimischen Meisenarten, Dompfaffen und Grünfinken, auch Stare, die allgegenwärtigen Amseln sowie Wacholder-, Sing-, Mistel- und Rotdrosseln sind in diesen Vogelbeerbäumen zu entdecken.

Sogar den scheuen Elstern scheinen die roten Beeren zu schmecken.

 

Kann schinn’rn Baam gippt’s, wie dann Vuglbärbaam… heißt es in der 1. Strophe, da scheint wirklich was dran zu sein.                                    

 

 

Text  und Fotos: Wolfram Martin: Amsel und Wacholderdrossel im Vogelbeerbaum

 

*): Dar Vuglbärbaam ist ein Ende des 19. Jahrhunderts entstandenes erzgebirgisches Volks- und Heimatlied, das bereits vor 1900 überregional weit verbreitet war. Der Text wurde vom sächsischen Förster und Mundartdichter Max Schreyer auf die Melodie eines bereits existierenden österreichischen Volksliedes gedichtet.

 

 


August: Eichelhäher - der farbenfreudigste Rabenvogel unser Wälder

 

Neben den bunten Spechten, die ihre Buntheit ja schon im Namen tragen (Stichwort: Buntspecht, später einmal mehr darüber), gibt es in unseren Edertalwäldern noch einen weiteren „bunten Vogel“, der insofern bemerkenswert ist, als er sowohl in Wittgensteiner Mundart, als auch hochdeutsch, ferner mit Spitznamen und natürlich lateinisch daherkommt; Die Rede ist vom Eichelhäher, der bei uns ja „Magulwes“ oder „Dergl“ genannt wird.

Wie alle Rabenvögel ist auch „Magulwes“ ein guter Tierstimmenimitator, ein Spötter, der in Gefangenschaft sogar menschliche Stimmen nachahmen kann. Und diese besondere Eigenart des „Verspottens“ bildet den Ursprung des Wittgensteiner Mundartnamens. In den alten Tierfabeln avancierte der Spötter zu „Markolf“, genau wie der Dachs zu „Grimbart“, der Wolf zu „Isegrim“ oder der Fuchs zu „Reineke“.

Der älteste Beleg dieses Tiernamens geht auf Albertus Magnus (1420) zurück, indem beim  Eichelhäher von „Marcolf“ und später im „Avium historia“ (Turner, 1544) von der lateinisierten Form „Mercolphus“ die Rede ist. Daraus wurde dann unser Magulwes, oder Magolves, wie er im Siegerland genannt wird.

 

Der Name „Dergl“ ist neueren und eher witzigen Ursprungs und geht auf eine Zeit zurück, da Günter Radenbach noch Jagdaufseher in den Berghäuser Revieren war. In den damaligen Jahres-Streckenlisten der heimischen Jägerschaft tauchte häufig folgende Aussage auf: 231 Rabenkrähen, Elstern und Dergl (Abkürzung für Dergleichen). Und da es sich bei „Dergl“ eigentlich nur um Eichelhäher handeln konnte, vernahm man an damaligen Jägerstammtischen Sprüche wie, „…habe heute wieder mal zwei Dergl für die Küche geschossen:“ Und alle wußten Bescheid.

 

Mit seinen hellblauen, schwarzgebänderten Flügeldeckfedern ist er einer der bekanntesten Waldvögel unserer Heimat, der mit seinem lauten, charakteristischen Warn-Rätschen auch akustisch von vielen Menschen sofort bestimmt werden kann. Sein eigentlicher „Gesang“ jedoch ist eine Art „bauchrednerisches Geplauder“.

Als Allerweltsvogel kommt er sowohl in Nadel-, als auch in Laub- und Mischwäldern sowie in Parks, auf Friedhöfen und in größeren Gärten vor. Besonders zur Winterzeit sucht er auch gerne kleinere Gärten auf, um dort in der Nähe von Futterstellen und Vogelhäusern nach Nahrung zu suchen. Als gefiederter Allesfresser verzehrt er Eicheln, Bucheckern, Haselnüsse, Beeren aller Art, Insekten, Larven, Würmer und sogar Mäuse und Eidechsen. Besonders zur Brutzeit plündert er auch gerne die Nester anderer Vögel, weshalb die Mehrzahl der kleineren Singvögel beim Auftauchen eines Eichelhähers zu warnen beginnen.

Im Herbst sammeln Eichelhäher – genau wie die Tannenhäher auch - Eicheln und Nüsse und vergraben sie als Vorratslager in der Erde oder im Laub. Da sie nicht alle Lager wiederfinden, sorgt „Magulwes“ (Mehrzahl: Magulwesse) also auch für eine natürliche Vermehrung in unseren Wäldern, insbesondere von Eichen und Haselnüssen. Somit halten ihn die einen als „Sähmann des Waldes“ für nützlich, die anderen verteufeln ihn wegen der Nesträuberei, so daß er bis vor nicht allzu langer Zeit  – auch in Wittgenstein – bejagt wurde. Mancher Wittgensteiner Nimrod trägt heute noch die kleinen blau-schwarzen Magulwesfedern am Hut und schwärmt weiterhin von der Eichelhähersuppe.

Mit angegebenen 34 Zentimeter ist er geringfügig größer als der Tannenhäher (32cm), aber wesentlich größer als der Buntspecht (23cm), kann jedoch beiden, was die Kraft der Schnabelhiebe beim Öffnen von Haselnüssen angeht, nicht das Wasser reichen.

 

Text und Fotos: Wolfram Martin


Ergänzung Bericht Mai: Graureiher

Graureiher-Kolonie in Berghausen

 

In unserem Fauna-Flora-Beitrag vom Mai hatten wir berichtet, dass die Graureiher-Kolonie in Berghausen (Bereich Alte Mühle) im Frühjahr durch Stürme vernichtet worden ist. Wie sich später herausstellte, wurde nur ein Teil dieser Kolonie zerstört, ein kleiner Teil – etwa sechs bis acht Horste – sind besetzt und die Jungen z.Z. kurz vor dem Ausfliegen (siehe Foto vom 2.7.2020). So können wir Berghäuser weiterhin stolz behaupten, in unserer Gemarkung die einzige Graureiherkolonie des Kreises „zu beherbergen“.                                                                                       

 

Text und Fotos: Wolfram Martin 


Juli: Rehkitz


 

Dem aufmerksam-neugierigen Naturbeobachter kann es passieren, daß ihm im Juli ein fast ebenso neugieriges Rehkitz (siehe Foto) über den Weg läuft – sofern es denn die gefährliche Zeit des Mähens im Mai und Juni überlebt hat. Und so ein Kitz erinnert uns daran, daß sich dem Wanderer im oberen Edertal um diese Zeit ein weiteres Reh-Phänomen offenbart: Jedes Jahr wiederholt sich in unseren Wäldern von Mitte Juli bis Mitte August ein Spektakel, welches die Jäger Blattzeit, die Biologen schlicht mit Rehbrunft und die unbeteiligten Waldtouristen verwundert mit „verrückt“ bezeichnen.

 

Ausgerechnet unserer kleinsten Hirschart, dem Reh, ist ein Paarungs- und Brunftverhalten eigen, welches so gar nicht zum Verhalten der sonstigen Hirschartigen passen will. Da das Reh das ganze Jahr über mehr oder weniger allein und dann auch nur in Familienverbänden lebt, werden die nur wenige Tage der Paarungszeit biologisch korrekt als „serielle Monogamie“ bezeichnet. Dies heißt nichts anderes, als daß der einzelgängerische Rehbock sich von den „brünstigen Düften“ und „sehnenden Fieplauten“ der Ricke derart angezogen fühlt, daß er sich ausschließlich um dieses eine Tier ein paar Tage lang kümmert. Flehmend (d.h. Aufstülpen der Oberlippe und gleichzeitigem Schließen der Nasenöffnung, siehe Foto) treibt er, sie ziert sich und ziert sich, bis es zum Deckakt, dem Beschlag kommt. Dann sucht er sich eine Neue.

 

Dieses Rennen, dieses Hecheln, dieses Treiben ist es, was uns die Rehe „wie nicht gescheit“ erscheinen, was sie alle Vorsicht vergessen läßt, was manchmal, wenn sie Straßen und Wege überqueren, mit dem Tode endet. In allen Medien werden die Verkehrsteilnehmer um diese Zeit vor liebestollen Rehen gewarnt.

 

Doch damit nicht genug der Absonderlichkeiten beim Reh. Rehe haben die längste Tragzeit allen Schalenwildes. Obwohl die Ricken schon im Juli/August beschlagen werden, die Hirschkühe erst im September/Oktober, bekommen beide im Mai/Juni ihren Nachwuchs. Rehe meistens zwei, seltener drei Kitze. Der Grund der langen Tragzeit beim Reh ist, daß es bei den Ricken zu einer sogenannten Eiruhe kommt, einer hormonellen Sperre, die das Einnisten des befruchteten Eis in die Gebärmutter verzögert.

 

Der Grund, warum die Jäger die Brunft des Rehs als Blattzeit bezeichnen liegt darin, daß Jäger den „sehnsüchtigen Fieblaut“ der Ricke früher mittels Buchenblatt, heute häufig mittels industriellen Lockinstrumenten nachahmen und so versuchen, den Bock heranzulocken mit dem Ziele des Erlegens. Dies mag einem Nichtjäger hinterlistig, heimtückisch und wenig weidmännisch erscheinen, den hormonellen Rausch des Bockes derart schnöde auszunutzen. Doch diese erlaubte Jagdart des „Heranblattens“ entspricht einerseits einer alten jagdlichen Tradition, ist oft sehr spannend und aufregend, und schließlich hat es auch – in Wittgenstein - immer wieder (allerdings wenige) Jäger gegeben, die aus ethischen Gründen auf die Blattjagd verzichtet haben.

 

In Wittgenstein werden alljährlich etwa 1.400 Rehe erlegt, davon ca. 550 Böcke. Wie viele davon „herangeblattet“ wurden, ist nicht bekannt. Einige – bestimmt um die Hundert – wurden aber auch Opfer des Straßenverkehrs. Also Fuß vom Gas wenn es insbesondere zur Morgen- oder Abenddämmerung irgendwo rehrot aufleuchtet: Wo ein Reh kommt, folgt oft gleich ein zweites!

 

Text und Fotos: Wolfram Martin 


Juni: Däa Gänsda – Der Ginster


 

Der Monat Juni war (und ist) seit jeher bei vielen Wittgensteinern DER Ginstermona schlecht hin. Galt den zahlreichen heimischen Naturfreunden Anfang/ Mitte Juni immer als der Höhepunkt der Ginsterblüte. Egal, ob man in der Trufte, oberhalb der Krimmelsdell oder von Aue über Kilbe und Altmühlbachtal bis nach Raumland wandert, bei der farbenfreudigen Landschaft geht einem das Herz auf. Gelb und Grün sind die Farben des Wittgensteiner Frühsommers.

 

Nun, inzwischen hat sich der Beginn der Ginsterblüte etwas nach vorne verlagert und beginnt in manchen Jahren schon Mitte bis Ende Mai.

 

Der Ginster, nach Berghäuser Mundart Däa Gänsda - genauer der Besenginster, lat Sarothamnus scoparius – ist eine sogenannte Pionierpflanze, die lichte Laubwälder, Böschungen, Wegränder und Kahlflächen liebt und dort weit verzweigte Rutensträucher mit leuchtend gelben Blüten hervorbringt. Diese Rutenbildung war es auch, die die Landbevölkerung dazu brachte, aus den Strauchruten Besen herzustellen, und dies wiederum gab der buschigen Strauchpflanze den deutschen Namen. Die gelben Blüten werden durch Insekten bestäubt – was auch das Herz des Imkers höher schlagen läßt - und daraus erwachsen in der Regel von August bis Oktober/November flache, bewimperte Hülsen mit den darin enthaltenen Früchten. Auf zusagenden Standorten kann sich der Besenginster schnell vermehren, innerhalb kürzester Zeit schier undurchdringliche Dickungen bilden, die nicht selten Tieren wie Fuchs, Dachs, Reh und Wildschwein sicheren Unterschlupf gewähren und zu Zeiten der Blüte das heimische Landschaftsbild prägen. So sehr das blühende Gelb sowohl Landschaftsästheten, Wanderer, Bienenfreunde und Naturfotografen gleichermaßen auch erfreuen mag, so ist diese flächige Buschbildung manchem Waldbauern ein Dorn im Auge, denn nicht selten überwuchern und überwachsen diese dichten Sträucher andere Nutz- und sonstige angepflanzte Bäumchen und hindern sie am entsprechenden Wachstum. Es ist halt doch nicht alles Gold was gelb daherkommt…

 

Text und Fotos: Wolfram Martin


Mai: Der Graureiher - einst Beizwild der Könige

 

Früher Fisch-, heute Graureiher – lat. Ardea cinerea – und Rotmilane galten früher einmal als „königliche“ Vögel, da nur hohe Herrschaften „von königlich Geblüt“ mit ihren Falken auf sie die Beizjagd ausüben durften. Und wie es sich für hohe Herren und Damen (denn auch diese ritten früher schon zur Beizjagd und waren somit den heutigen Feministinnen weit voraus) geziemt, behandelten sie ihre erbeuteten Reiher auch adelig, rupften ihnen als Trophäe nur die langen Schopffedern aus, legten ihnen einen Ring ans Bein – und ließen sie wieder fliegen.

 

Und dieser recht große und scheue Vogel, den wir Berghäuser sowohl an Eder und Trufte, Altmühlbach und Neppebach, Hopplerbach und Lennebach, als auch auf dem Seibrich oder den Wiesen zur Ecke beobachten können, hat auch etwas mit der heimischen Beizjagd zu tun, denn der berühmteste deutsche Falkner – Renz Waller aus Mettmann – war zur Kriegs- und Nachkriegszeit in Berghausen (Alte Mühle) evakuiert.

 

Wenn man sich so einen Graureiher mit einer Größe von 90 Zentimeter und einer Flügelspannweite von 1,6 Meter einmal aus der Nähe oder durchs Fernglas betrachtet, ist es eigentlich ein imposanter und auch schöner Vogel. Durch seinen im Flug gebogenen Hals ist er leicht vom Kranich und Schwarzstorch zu unterscheiden. Der lange Schnabel und die Beine sind gelblich, im Frühjahr orangerötlich. Er horstet in Kolonien und die in Wittgenstein größte und bekannteste lag bis vor Jahren in Schwarzenau hoch über der Eder. Dann wurde diese Kolonie vor zirka 10 jahren aufgegeben und in Berghausen wurde oberhalb der Alten Mühle eine neue Kolonie errichtet. Abseits der Kolonie, in der zur Brutzeit – besonders wenn die Jungen als sogenannte Ästlinge schon außerhalb des Horstes im Geäst auf die mit Beute anfliegenden Eltern warten – ein reges und auch lautstarke Durcheinander herrscht, entdeckt der Naturfreund den manchmal laut krächzenden („Krääik“) Fischreiher entweder im Fluge oder stehend am Wasser oder auf Wiesen. Am Wasser verhält er sich als Pirsch- oder Anstandsjäger äußerst ruhig und wartet oft „stundenlang“ auf eine passende Beute, die er mit einem gezielten Schnabelhieb aus dem Wasser fischt. Gerne sucht er bei uns auch frischgemähte Wiesen auf, um dort nach Fröschen, Eidechsen, Mäusen, Käfern oder sonstigen Insekten zu suchen.

 

Leider wurde die Berghäuser Graureiher-Kolonie durch die Frühjahrsstürme 2020 zerstört. Keine Frage: Der Graureiher hat in Wittgenstein nicht nur Freunde. Doch wenn es ihn bei uns nicht mehr gäbe, würde uns Berghäusern etwas fehlen. Warten wir mal ab, wo und wann eine neue Kolonie angelegt wird.  

                                           

Text und Foto: Wolfram Martin

 

Kontakt

Verein für Heimat, Kultur und Freizeitgestaltung e.V. Berghausen

 

Info@Berghausen-Edertal.de

 

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